Der wahre Wert der Wälder in Südostasien
In Südostasien ist der wahre Wert der Wälder vielschichtig und facettenreich. Vom 30. bis 31. Mai 2024 kamen fast 60 Teilnehmende aus Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam in der thailändischen Provinz Nan zusammen, um an einem Dialog über die Bedeutung der Wälder teilzunehmen. Diese Südostasien-Veranstaltung war Teil einer globalen Serie von Wyss Academy Dialogen über den wahren Wert der Wälder und schuf einen sicheren Raum für den Austausch unterschiedlicher Perspektiven. Die Gespräche unterstrichen die Bedeutung der Wälder für die Menschen in der Region und verdeutlichten die gemeinsamen Werte, die Einzelpersonen und Gemeinschaften weltweit ihren Wäldern zuschreiben.
Die Wyss Academy Dialoge bewegten sich über einen Zeitraum von wenigen Wochen vom Amazonas über Südostasien und Europa nach Afrika und drehten sich durchwegs um Austausch, Zuhören und gemeinsames Lernen. «Wir müssen Brücken bauen und Silos aufbrechen, und diese Dialoge sollen sichere Räume schaffen, in denen Menschen aus verschiedene Gesellschafts- und Wirtschaftsbereichen zusammenkommen können», sagte Tatjana von Steiger, Leiterin Globale Politikgestaltung an der Wyss Academybei der Begrüssung der Teilnehmenden des Südostasien-Dialogs am ersten Tag der Veranstaltung.
Die tiefe Verbundenheit der lokalen Gemeinschaften mit ihren Wäldern wurde im Laufe des zweitägigen Dialogs immer wieder hervorgehoben – sowohl während der Gruppeninteraktionen und -übungen wie auch bei einem Besuch im Bezirk Santisuk, wo im Rahmen des Trees4All-Projekts naturbasierte Lösungen getestet werden. Die Teilnehmenden bezeichneten den Wald oft als ihre «Mutter» und «Versorgerin» sowie als ihre «Bank» und ihren «Supermarkt». Es wurde klar, dass Wälder nicht nur als Lebensgrundlage gesehen werden, sondern auch als integraler Bestandteil des kulturellen Erbes.
Unterschiedliche Rollen und einzigartige Werte
Die Teilnehmenden äusserten den Wunsch, ihre Wälder zu schützen, und betonten, dass sie dafür Unterstützung von der Regierung benötigen. Es wurde auch deutlich, dass sie Gemeinschaften und Nichtregierungsorganisationen als zentrale Akteurinnen für den Schutz, die Erhaltung und die Wiederherstellung der Wälder sehen. Um die Lebensgrundlagen zu stärken, nachhaltige Praktiken zu fördern und gleichzeitig die weitreichenden Krisen des Klimas und der Biodiversität anzugehen, braucht es einen breit gefächerten, vielseitig ausgerichteten Ansatz.
Andere Gruppen haben ebenfalls miteinander verbundene und doch unterschiedliche Rollen zu spielen. Lokale Regierungen vermitteln zwischen nationalen Richtlinien und den Bedürfnissen der Gemeinschaften und sind in der Lage, Bemühungen zum Schutz der Wälder mit den Prioritäten derjenigen abzustimmen, die in und um diese Wälder leben. Forschende gewähren Einblicke in die komplexen Abläufe der Waldökosysteme. Doch die Umwandlung dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse in umsetzbare Strategien, die sowohl der Umwelt als auch den Menschen vor Ort zugutekommen, ist nicht ohne Herausforderungen.
Geschäftsleute sind vorwiegend von wirtschaftlichen Interessen geleitet und sehen Wälder vor allem als Quelle von Ressourcen. Bei verantwortungsvoller Handhabung bietet diese Perspektive Chancen für eine nachhaltige Entwicklung – auch wenn sie gleichzeitig reale Möglichkeiten für Ausbeutung birgt. Damit die wichtigen Waldökosysteme gesund bleiben und die menschlichen Gemeinschaften vor Ort sich entwickeln und gedeihen können, braucht es ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichem Wachstum und Erhalt der Ökosysteme. Ebenso wichtig für faire Naturschutzstrategien ist es, wissenschaftliche Forschung und praktische Umsetzung enger zusammenzubringen.
Zukunftsvisionen für Wälder
Während einer der Sitzungen entwickelten die Teilnehmenden Visionen für die Zukunft der Wälder in ihren jeweiligen Ländern. Die Delegation aus Kambodscha stellte sich eine Beteiligung der Gemeinschaften und Unterstützung durch globale Mechanismen vor, sowie Initiativen, die zu bedeutenden Aufforstungsmassnahmen führen. Die Teilnehmenden aus Laos sahen gutes Waldmanagement als Schlüssel zur Vergrösserung der Waldfläche bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Nutzung. Der Gruppe aus Thailand schwebte ein integriertes Waldmanagementsystem vor, das die Bedürfnisse der ländlichen und städtischen Bevölkerungen ausgleicht. Die Teilnehmenden aus Vietnam schliesslich sahen die Wälder in ihrer Vision als Mittelpunkt des Ökotourismus, verbunden mit einem verbesserten Management, das den lokalen Gemeinschaften diversifizierte Einkommensquellen erschliesst.
Mit Blick auf die regionale Ebene riefen die Teilnehmenden zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf und propagierten den Einsatz von technologischen Hilfsmitteln zur Überwachung der Waldfläche und zur Umsetzung von landschaftsweiten Lösungen. Die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Interessengruppen, einschliesslich der lokalen Gemeinschaften, Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und Forschenden wurde ebenfalls betont. Zum Ende des Dialogs hielten die Teilnehmenden fest, dass Schutz und Erhaltung ohne Zusammenarbeit der Nachbarländer gar nicht möglich sind. Der Dialog, so ihr Fazit, hatte Raum geschaffen, um gemeinsam etwas zu verwirklichen.
Lebendige, vernetzte Systeme
Die Vielfalt der mit Wäldern verbundenen Werte – von rein utilitaristischen und wirtschaftlichen bis hin zu kulturellen und spirituellen Werten – unterstrich die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes für Forstwirtschaft und Naturschutz. Während des Feldbesuchs am Trees4All-Projektstandort in Santisuk sagte Boonlerm Sirimoon, ein Projektmitglied aus der Landwirtschaft: «Wald ist Leben. Ohne Wald können wir nicht leben. In Nan sind unsere Überzeugungen und unsere Kultur eng mit der Natur verbunden. Wir begegnen dem Wald und dem Fluss mit Respekt.»
Im Laufe des Dialogs zeigte sich, dass die Teilnehmenden Wälder als lebendige, komplexe und miteinander verbundene Systeme verstehen, die sowohl für das menschliche als auch für das nicht-menschliche Leben von entscheidender Bedeutung sind. Immer wieder betonten sie die Notwendigkeit, einen gemeinsamen Weg zu finden, bestehende Allianzen und Initiativen miteinander zu verknüpfen und den Wert der Wälder mit Hilfe von lebendigen Geschichten zu verdeutlichen. Diese kollektive Botschaft, die die gemeinsame Vision und das Engagement der Teilnehmenden widerspiegelt, wird in zukünftige Dialoge über den wahren Wert der Wälder einfliessen.